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Atomkinder und Fridays for Future

Ich gehöre zu einer Generation, die ich als „Atomkinder“ bezeichne. Wir sind großgeworden mit den Büchern von Gudrun Pausewang (hauptsächlich die „Wolke“ und die „Kinder von Schewenborn“, denn wenn wir mal ehrlich sind, das sind die, an die man sich erinnert). Man hat sie uns vorgehalten, mit Jugendbuchpreisen und großem Trara, weil sie irgendwie wertvoll sein sollten.

Beide Bücher behandeln die Welt nach einem großen Atomschlag/Atomunglück, in beiden überlebt ein Teenagermädchen/Teenagerjunge und Teile seiner Familie sterben qualvoll und alles ist ganz, ganz betroffen und tragisch.

So, jetzt mal das große Coming-out, mit dem ich bei einigen Leuten sicher Kopfschütteln auslösen werde: ich bin kein Fan dieser Bücher. Habt ihr vielleicht gemerkt. In meinen Augen sind sie nicht nur schlecht – sie sind vor allem pädagogisch wertlos.

Wieso kann ich das beurteilen? Naja, ich komme aus der Verhaltensforschung. Und daher merke ich, dass beide Bücher den Leser vor das sogenannte „Paradigma der erlernten Hilflosigkeit“ stellen.

Kurz zusammengefasst: stellt man ein Tier oder einen Menschen in eine schmerzhafte oder schlimme Situation, zeigt ihm aber einen Ausweg, dann wird er sich selbstverständlich ins Zeug legen, um diesen Ausweg zu nutzen. Zeigt man ihm keine Möglichkeit, dieser schlimmen oder schmerzhaften Situation zu entgehen, wird er sich hinlegen und alles erdulden. Er wird nicht einmal mehr nach einem Ausweg ergreifen, wenn er einen angeboten bekommt. Das ist also die „erlernte Hilflosigkeit“.

Herausgefunden hat man das übrigens mit Hunden, die man in Drahtkäfigen gehalten hat. Durch den Boden der Käfige kam alle paar Minuten ein Stromschlag. Gab es eine Ecke ohne Stromschlag, fand der Hund sie. Gab es keine, gab der Hund bald die Suche auf, legte sich hin und wartete auf die nächsten Stromschläge. Und wenn man ihn in einen Käfig steckte, in dem es eine stromfreie Ecke gab? Dann suchte er nicht mal danach, sondern legte sich gleich hin.

Davon wird einem echt übel, nicht?

Und nun zurück zu Gudrun Pausewangs Atombüchern. In beiden Büchern ist das Schlimmste schon eingetreten. Der Held/die Heldin hat keinerlei Möglichkeit, irgendetwas zu ändern, sondern beobachtet und erduldet nur und versucht zu überleben, so gut es eben geht, während um sie/ihn herum alle sterben. Das ist natürlich die denkbar schlechteste Botschaft, die man Lesern mitgeben kann.

Diese Bücher wollten „warnen“. Oder gar „aufrütteln“. Aber was für einen Sinn hat das Warnen, wenn man keine Alternative aufzeigt? Diese Bücher sagen dem Leser: Die Erwachsenen werden die Welt kaputtmachen, alle werden qualvoll sterben, deine kleine Schwester wird ohne Augen auf die Welt kommen und dein Vater wird sie deshalb ermorden. Dein kleiner Bruder wird sterben und du wirst ihn in einem Maisfeld begraben, oder einem Fussballfeld, wenn nichts anderes da ist. Ach ja, und dein Papagei wird verhungern. Und es gibt nichts, was du dagegen tun kannst.

Das war meine Generation. Damit sind wir aufgewachsen. Mit dieser absoluten Hoffnungslosigkeit, und das fanden die Erwachsenen „wertvoll“.

Und dabei ist das Ganze eine Lüge! Selbstverständlich gibt es sehr viel, was schon Kinder und Jugendliche tun können, um die großen Probleme der Welt anzugehen. Den Erwachsenen mal Feuer unterm Arsch zu machen. Und die Kinder heutzutage wissen das viel, viel genauer als wir, als wir in dem Alter waren.

Ich schimpfe oft auf die gedankenlose Nutzung den Internets bei Kindern und Jugendlichen, ich weiß. Aber das Netz hat auch Vorteile. Heutzutage werden in der Pädagogik ja die „Resilienz“ und die „Selbstermächtigung“ großgeschrieben – anders als bei uns damals. Zum Glück. Und die Kinderchen wissen bereits ganz genau, wie man im Netz Aufmerksamkeit generiert und eine große Welle macht.

Ich bin sehr froh, dass es die „Fridays for future“ gibt. Damals war das große Problem die Atomkraft, heute ist es der Klimawandel – und die Kinders gehen das Ganze an. Einfach so. Die machen was. Auch wenn Greta Thunbergs Medienvermarktung oft nervt, ich bin froh, dass Jugendliche an einem Strang ziehen, wo die Erwachsenen es nicht bringen. Ich bin sogar ein bisschen stolz auf diese Generation (auch wenn ich natürlich nichts dazu beigetragen habe). Uns wäre es damals im Traum nicht eingefallen, selbst die Initiative zu ergreifen!

Uns hat man eingetrichtert (ob absichtlich oder nicht): halt den Kopf unten und hoffe, dass das große Unglück nicht passiert – was anderes bleibt dir gar nicht übrig. Wir waren der Hund, der sich in die Ecke legt und auf den nächsten Stromschlag wartet.

Die Kinders heute wissen es besser. Sie sind politisch engagiert und stellen die richtigen Forderungen, und zwar mit der nötigen Dringlichkeit. Das Internet hat sie gelehrt, dass sie eine Stimme haben – die hatten wir nicht. Ich mache mir zumindest in der Hinsicht wenig Sorgen um die nächste Generation. The kids are alright.

Mit Hörnchen!!

Kennt ihr Wildbienen?

Es gibt über 500 Arten von Wildbienen in Deutschland, und die meisten sind gefährdet. Oft auch deshalb, weil Menschen sie gar nicht wahrnehmen. Einige sind nur so groß wie Ameisen und ganz schwarz. Die größten Wildbienen sind die Hummeln. Dazwischen gibt es so ziemlich alle Größen und Farben. Sogar welche mit blauen oder grünen Augen – wenn man weiß, wo man sie findet.

Wahrscheinlich kennt ihr diese „Wildbienenhotels“ (eigentlich: Nistkästen), die im Moment sehr in sind. Leider helfen die nur ganz wenigen Wildbienenarten, denn die meisten Wildbienen nisten im Boden.

Eine Art, die man oft in Nistkästen findet, ist die „rostrote“ oder „gehörnte Mauerbiene“ (Osmia cornuta). Bei mir zuhause nisten sie gern in den Stoppen vom Rolladen – jedes Jahr eine neue Generation. Und so sieht das aus: links eine fertige Brutkammer, die schon zugebaut ist. Drin liegt ein Ei und Pollen-Proviant, und nächstes Jahr schlüpft daraus eine neue Mauerbiene. Vielleicht auch mehrere. Rechts wird noch gebaut.

Und wieso heißt sie nun „gehörnte Mauerbiene“? Kann ich euch zeigen, denn neulich hat sich leider ein Tier in die Wohnung verflogen und ich habe es zu spät gefunden – da war sie schon tot. Aber immerhin hat mein Mann mit der Makro-Kamera Fotos gemacht (Fotos by Gideon Haberkorn):

 

Gesamtansicht. Vorn sieht man schon die Hörnchen im Gesicht, aber hier noch einmal in Großaufnahme:

 

Das ist übrigens ein Weibchen. Die Männchen haben einen weißen Puschel im Gesicht.

Die Mauerbiene kann man eigentlich nicht verwechseln – außer mit einer Hummel, denn sie ist ziemlich groß, so etwa einen bis anderthalb Zentimeter. Ist aber keine Hummel.

Wer mehr über Wildbienen wissen möchte – und ihnen vielleicht sogar helfen möchte – der kann sich beim absoluten Wildbienen-Spezialisten Paul Westrich informieren: https://www.wildbienen.info/

Ich habe noch eine kleine Kolonie erdbewohnende Mini-Wildbienen im Garten und hoffe, dass ich sie euch demnächst auch zeigen kann. Aber das ist gar nicht so einfach, denn die sind wirklich winzig und haben keine Lust, fürs Foto stillzuhalten…

Gewölle for you

Ehe für alle, juchhu! Als ich gestern nach Hause kam, gab’s einen großen Regenbogen. Sogar das Wetter findet’s gut!

Und nun zu einem ganz anderen Thema: Gewölle. Was zum Teufel ist eigentlich ein Gewölle? Wer den Hummelreiter aufmerksam gelesen hat, der weiß sicher, dass auf Seite 268 steht:

„Josefa drehte sich um und würgte dezent ein Gewölle hoch.“

Und deswegen habe ich euch heute ein bisschen was davon mitgebracht. Ich finde während meiner täglichen Arbeit ab und zu welche, weil es dort Steinkäuze gibt. Es ist so: Eulen und andere Raubvögel fressen ihre Beute mit Haut und Haaren. Haut und Haare und Knochen sind aber unverdaulich, also müssen sie wieder hochgewürgt werden, und zwar in einem kleinen festen Päckchen. Oft kann man am Gewölle erkennen, was für ein Vogel es erzeugt hat. Ein Uhu macht natürlich ein größeres Gewölle als ein kleines Käuzchen, usw.

Hier ist also ein Steinkauzgewölle (also so eins, wie Angostura machen würde):

Es ist nur 1,5 cm groß, deshalb habe ich es durch ein Binokular fotografiert. Und wie man sieht, ist es tatsächlich ein festes kleines Bonbon aus Essensresten. Aber halt, fragt ihr vielleicht, wieso ist da ein Schneckenhaus drin? Fressen Eulen Schnecken? Ja, Steinkäuze zumindest ernähren sich während des Sommers zu einem großen Teil von kleinen Kriechtieren und Insekten.

Und was ist da sonst so drin? Zum Beispiel die Überreste von einem Rüsselkäfer, mit gut erkennbarem Rüssel:

Oder Käferpanzer, der eine mit einem Punktmuster und der andere mit Linien drauf:

Erstaunlich, wie interessant Eulenkotze sein kann, nicht?

Dummerweise liegen Gewölle oft auf hohen Mauern oder Dachrändern, wo Vögel auch gern andere Dinge hinterlassen. Wie erkennt man nun ein Gewölle? Ein Gewölle ist immer ein trockenes, festes Bonbon. Es ist nie flüssig und nie weiß. Außerdem sind immer nur tierische Reste drin, wie zum Beispiel Haare, Knöchelchen, Schnäbel, oder Insektenpanzer. Niemals Kirschkerne, Johannisbeerkerne, oder Grashalme (die findet man höchstens in Katzen-Gewölle, aber das ist was ganz anderes).

Wenn ihr eins findet, packt es am besten in Papier und nehmt es mit in die Schule. Euer Lehrer freut sich bestimmt, die meisten Lehrer kommen nämlich gar nicht an Gewölle ran. Und außerdem könnt ihr es in der Schule unterm Binokular angucken, zuhause hat man sowas ja nicht.

 

Noch 52 Tage, bis Nelli und Trude mit dem geheimnisvollen Nachtflieger abheben. Ich sitze schon auf glühenden Kohlen!

Verblüfft euren Biolehrer! Teil I

Sachen, die euer Biolehrer bestimmt noch nicht weiß (alias: Verena spielt mit toten Tieren rum), Teil I. Thema: Schlundzähne!

zähnchen2 zähnchen

Das hier fand ich im Urlaub bei einem See auf der Azoren-Insel Sao Miguel. Offensichtlich irgendwas aus dem Maul eines Fisches, mit kleinen kugeligen Zähnen drauf. Aber kein normaler Unterkiefer, mit Gelenkflächen nach hinten statt nach oben! Was konnte das wohl sein?

Eine Stunde googeln später habe ich etwas gelernt, was man mir in meinem ganzen Bio-Studium kein einziges Mal erzählt hat: viele Fische haben die Zähne nicht im Maul, sondern zwischen den Kiemen. Sogenannte Schlundzähne.

Diese Fische fangen Beute, indem sie ihr Maul plötzlich weit aufreißen. Dadurch entsteht ein Sog, der Insekten und andere Beutetiere in ihr Maul hineinstrudelt. Und weil dabei normale Zähne im Weg wären, wird die Beute eben weiter hinten im Maul festgehalten oder zermahlen.

Von welchem Fisch genau mein Fundstück stammt, habe ich nicht ganz sicher herausbekommen. Wahrscheinlich ein Gefleckter Lippfisch. Die fressen unter anderem gerne Muscheln und Schnecken – deshalb auch die komische Zahnform. Solche kugeligen Zähne sind besonders gut zum Muschelknacken geeignet.

Ich versuche in Zukunft, mehr bizarres Bio-Wissen in mein Blog einzubauen. Wissenschaft ist cool. Aber ich übernehme keine Haftung dafür, falls ihr von den anderen Kindern verdroschen werdet, weil ihr plötzlich Streber seid…